Burnout verstehen-
Zwischen Erschöpfung und Neuanfang
Ein naher Bekannter stellte mir am Wochenende mit kraftbetonter Stimme eine bedeutende Frage und formulierte diese wie folgt: “Warum ist Burnout heute so verbreitet? Früher haben die Menschen körperlich und psychisch deutlich mehr und härter arbeiten müssen, als heute? Da gab es keine Zeit für Burnout. Die “Trümmerfrauen” haben Steine mit bloßen Händen geschleppt, die Kriegskinder bekamen wenig Aufmerksamkeit von Seiten Ihrer Eltern und unsere Väter hatten keine Zeit für Ihre Familie.”
Persönlich stimmen mich diese Aussagen noch immer unglaublich traurig. Noch immer herrscht ein bedeutendes Aufklärungs- Defizit, in der Präventionsarbeit und in dem Bereich der Psychoedukation dem Thema: Burnout – hin zugewandt.
Bevor ich die Beantwortung nun gern einmal “Kurz, Knackig & und zum Verständnis eines Laien” noch einmal schriftlich erläutere (In der Hoffnung, dass der “Fragende” der Bitte nachkommen mag, den Artikel zu lesen) – stelle ich mir seither eine für mich als Psychologin bedeutende Frage: Wo liegt nur die persönliche Intension, hinter seiner Aussage und vor allem: Weshalb wurde mir diese Frage mit einem negativen unterschwelligen Ton gestellt?
Psychoedukation - Burnout: Symptome, Diagnose und Therapie
Burnout – ein Begriff, der längst kein Nischendasein mehr fristet. In unserer leistungsgetriebenen Welt begegnet uns der Begriff auf Konferenzen, in Feuilletons und auf Kaffeetassen. Doch was verbirgt sich nun hinter diesem Fachbegriff? Und wie lässt es sich erkennen, verstehen und behandeln?
Was ist Burnout – mehr als ein Modewort
Burnout beschreibt einen Zustand tiefer emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung, meist ausgelöst durch chronischen Stress im Arbeitskontext. Ursprünglich in den 1970er Jahren von dem Psychoanalytiker Herbert Freudenberger beschrieben, ist es seither ein Synonym für die stille Erschöpfung der Leistungsträger geworden.
Burnout ist kein Zeichen von Schwäche – im Gegenteil. Betroffen sind häufig Menschen mit einem hohen Maß an Idealismus, Verantwortung und Einsatzfreude. Doch genau diese Eigenschaften können, wenn über lange Zeit überdehnt, zum gefährlichen Bumerang werden.
Symptome – wenn die Seele müde wird
Burnout schleicht sich leise an. Anfangs noch überspielt mit Disziplin und Durchhalteparolen, zeigt es sich bald in drei zentralen Bereichen:
Emotionale Erschöpfung:
- Anhaltende Müdigkeit, auch nach dem Wochenende
- Gefühl von innerer Leere und Überforderung
- Gereiztheit, Nervosität, Schlafstörungen
Depersonalisierung (Distanzierung)
- Zynismus gegenüber (Familie, Freunde und Bekannte) Kollegen oder der eigenen Arbeit
- Rückzug, Gleichgültigkeit, emotionale Abstumpfung
- Konzentrationsprobleme
- Gefühl von Ineffektivität
- Sinkendes Selbstwertgefühl; trotz objektiver Leistung
Diese Symptome sind ernstzunehmende Warnzeichen der Psyche – vergleichbar mit einer roten Lampe auf dem Armaturenbrett, die nicht ignoriert werden sollt
Diagnose – Klarheit durch professionelle Hilfe
Therapie – Wege zurück zur inneren Kraft
Die Behandlung von Burnout ist so individuell wie die Menschen, die davon betroffen sind. Grundpfeiler einer erfolgreichen Therapie sind:
- Psychotherapeutische Begleitung: Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie oder systemische Ansätze helfen, Denk- und Verhaltensmuster zu reflektieren und zu verändern.
- Entlastung und Ressourcenstärkung: Klare Grenzen setzen, „Nein“ sagen lernen, Selbstfürsorge praktizieren.
- Psychoedukation: Verstehen schafft Veränderung. Wer weiß, was in ihm vorgeht, kann besser handeln.
- Entspannungsverfahren & Achtsamkeit: Progressive Muskelentspannung, Meditation oder Yoga fördern die Regeneration und stärken die Selbstwahrnehmung.
- Strukturelle Veränderungen: In manchen Fällen kann eine berufliche Neuorientierung oder Reduktion von Arbeitszeit sinnvoll sein – nicht als Niederlage, sondern als kluge Selbstrettung.
Warum ist Burnout heute häufiger – obwohl frühere Generationen härter arbeiteten?
Eine wissenschaftlich-psychologische Einordnung
Auf den ersten Blick scheint es paradox: Unsere Vorfahren arbeiteten oft unter härtesten körperlichen Bedingungen – auf Feldern, in Fabriken, in Handwerksbetrieben. Heute hingegen sind es laut Statistika 2023 – Wissensarbeiter, Mitarbeiter in Bürojobs, Führungskräfte oder pflegende Angehörige, die unter Burnout leiden. Die körperliche Arbeit hat abgenommen – doch die psychische Belastung ist gestiegen.
Hier sind die zentralen Ursachen, warum Burnout heute häufiger ist als früher:
1. Die Natur der Arbeit hat sich gewandelt – Von Außen nach Innen
- Einst war Arbeit oft physisch, sichtbar, abschließbar: Ein Feld war gepflügt, eine Wand gebaut, der Arbeitstag vorbei.
- Heute ist Arbeit kognitiv und emotional:
- Wir denken, planen, kommunizieren, managen, oft ohne klare Trennung zwischen Anfang und Ende.
- Arbeit „endet“ selten wirklich – E-Mails am Abend, Projekte im Kopf, ständige Erreichbarkeit.
- Viele Aufgaben sind komplex, multitasking-intensiv und schwer zu kontrollieren.
Das erzeugt dauerhafte mentale Aktivierung – ein Nährboden für chronischen Stress.
2. Die ständige Selbstoptimierung – Das Ich als Projekt
- Frühere Generationen lebten oft mit festen Rollen: Bauer, Mutter, Lehrer. Die Erwartungen waren stabil.
- Heute erleben wir eine gesellschaftliche Individualisierung:
- Jeder soll sein „bestes Selbst“ verwirklichen, innovativ sein, agil, resilient, leistungsfähig – ständig.
- Das führt zu einem hohen Selbststeuerungsdruck, wie ihn der Soziologe Hartmut Rosa oder der Burnout-Forscher Mathias Burisch beschreiben.
Menschen fühlen sich verantwortlich für Erfolg und Glück – aber auch für Misserfolg und Erschöpfung.
3. Entgrenzung von Arbeit und Freizeit – Die digitale Dauerpräsenz
- Mit Smartphones, Homeoffice und mobilen Technologien ist Arbeit immer und überall möglich – aber auch präsent.
- Die Trennung von Arbeits- und Erholungszeit verschwimmt.
- Der „Feierabend“ – einst heilig – wird oft zum „Feier-off“.
Erholung wird zur Herausforderung. Und chronischer Stress ohne echte Regeneration ist das Fundament von Burnout.
4. Psychische Belastungen sind sichtbarer und akzeptierter
- Heute sprechen wir offener über psychische Gesundheit.
- Begriffe wie Burnout oder Erschöpfungsdepression haben einen Platz im öffentlichen Diskurs.
- Früher wurde vieles als „Nervenschwäche“, „Charakterschwäche“ oder einfach „müde“ abgetan – oder verschwiegen.
Mehr Fälle bedeuten nicht automatisch mehr Erkrankungen, sondern auch mehr Erkenntnis und Diagnostik.
5. Steigende Anforderungen – Bei abnehmender Bindung
- Viele Arbeitsverhältnisse sind heute unsicher, projektbasiert, ohne klare Zugehörigkeit.
- Soziale Unterstützung in Teams, Familien oder Gemeinschaften ist oft schwächer als früher.
- Das Gefühl, „alles allein stemmen zu müssen“, wächst.
Fehlende soziale Ressourcen verstärken Stress und fördern die Entstehung von Burnout.
Fazit: Burnout ist kein Zeichen von Schwäche – Sondern von Wandel
Der Anstieg von Burnout ist Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels in unserer Arbeits- und Lebenswelt. Nicht weil Menschen heute weniger belastbar sind – sondern weil die Belastungen unsichtbarer, diffuser und psychisch tiefgreifender geworden sind.
- Körperliche Erschöpfung konnte man früher „ausschlafen“.
- Psychische Erschöpfung braucht mehr: Raum, Reflexion, Resonanz.
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