Psychische Erkrankungen in der Geschichte
Die frühersten Belege, die uns über die medizinische Behandlung von psychischen Erkrankungen und somit über ihre Existenz informieren, stammen von prähistorischen Schädeln, in welche Löcher gebohrt wurden. Dieses Verfahren nennt sich – Trepanation – und wird heute noch von einigen Sonderlingen praktiziert. anscheinend war es in prähistorischen Zeiten weit verbreitet, oder zumindest fest etabliert, bedenkt man die geografische Reichweite, in der es Anwendung fand, und das Können, mit dem es durchgeführt wurde. Höchstwahrscheinlich wollte man mit Trepanation Schwellungen im Gehirn behandeln, die durch Kopfverletzungen entstanden waren. Die Funde könnten jedoch auch prähistorische Glaubenssätze hindeuten, nach denen psychische Erkrankungen mit bestimmten Eigenschaften oder Entitäten im Gehirn gleichgesetzt wurden. Vielleicht nahm man zum Beispiel an, dass Wahnsinn von bösen Geistern verursacht wurde und wollte diese durch ein Loch im Kopf befreien ….
Antike Schilderungen von Wahnsinn
Biblische und mythische Quellen zeugen von dem Glauben, dass psychische Erkrankungen übernatürlichen Ursprungs sind. Als Beispiel sind hier biblische Erzählungen über den von Wahnsinn befallenen König Saul zu nennen, der von einem “Bosen Geist” Gottes heimgesucht wurde, oder die Geschichte des Herkules, der von der Göttin Hera in den Wahnsinn geschickt wird.
Doch entgegen weit verbreiteter Ansichten wurden psychische Erkrankungen in vorwissenschaftlichen Kulturen auch auf biologische oder psychologische Ursachen zurückgeführt. Aus der antike sind eindeutige Belege erhalten. in denen Ärzte nach rationalen, natürlichen Erklärungen suchten. Außerdem gibt es bemerkenswert viele Überschneidungen zu heutigen Diagnosen.
Antike Diagnosen und Therapien
Der griechische Arzt Hippokrates (um 460-370 v.u.Z.) begründete psychische Störungen offensichtlich mit natürlichen Ursachen, die er auf das Gehirn zurückführte. In der Medizin vertrat er einen holistischen Ansatz und sah einen Zusammenahng zwischen psychischen Störungen und Persönlichkeit, Stimmungen sowie dem Ungleichgewicht von Körperflüssigkeiten.
Wo Hippokrates von Körpersäften sprach, würde ein moderner Arzt von Neurotransmittern oder neuroendokrinen Zellen sprechen.
Der griechisch-römische Arzt Galenos (130-210) vertrat die These, dass geistige Krankheiten sowohl biologische Ursachen wie Kopfverletzungen oder Alkoholkonsum als auch psychologische Ursachen wie Trauer oder Stress haben können.
Für diese Diagnosen definierten die antiken Griechen und Römer verschiedene Leiden, die sich nicht sonderlich von modernen Diagnosen unterscheiden, wie z.B. Melancholie – Ähnlich der Diagnose Depression, Demenz, Manie mit Symptomen wie Raserei und Euphorie sowie Hysterie – ähnlich der heutigen Konversationsstörung, bei der sich psychologischer Stress durch körperliche Symptome zeigt. Wie auch moderne Psychologen unterschieden sie auch zwischen Wahn (falsche Überzeugung) und Halluzinationen (Dinge sehen, hören und anderweitig wahrnehmen, die nicht da sein.). Der römische Staatsmann und Philosoph Cicero (106-43 v.u.Z.) erstellte sogar einen Fragebogen, der bei der Bewertung psychischer Erkrankungen helfen sollte. Er umfasste Fragen zum habitus (dt. Erscheinung), orationes (dt. Sprache) und casus (dt. etwa bedeutende Lebensereignisse), was an die Holmes- und Rahe-Stress-Skala erinnert.) Viele der damaligen Behandlungen waren menschlich und einfühlsam. Zum Beispiel verschrieb Hippokrates Ruhe, gesunde Ernährung und Sport und später empfahlen griechische und römische Ärzte Musik, Massagen und Bäder.
Mittelalterlicher Wahnsinn
Bis in die Frühe Neuzeit blieben die meisten psychisch erkrankten Menschen in ihrer Gemeinschaft und waren von der Pflege ihrer Familie abhängig. Im Mittelalter später entstanden Institutionen, die als Stätten für Geisteskranke dienten. Für diese Anstalten, denen das berüchtigte Bedlam als Vorbild diente, war eine langfristige Einkerkerung der Patienten anfangs nicht vorgesehen. Mittelalterliche Autoritäten führten Irssinn, der Idiotie genannt wurde, auf natürliche, rationale Ursachen zurück. “Wahnsinn” wurde überwiegend als Krankheit des Körpers und des Gehirns wahrgenommen, so der Mittelalterhistoriker Roffe.
Die Behandlungsansätze für psychische Erkrankungen waren bestenfalls begrenzt und erstreckten sich nach Roffe über die “Typischen Ernährungen und Kräuterkuren” und operativen Eingriffen der damaligen klassischen Medizin. Das Ziel dieser Therapien bestand damals darin, grundlegende Eigenschaften wie Hitze oder Trockenheit wieder ins Gleichgewicht zu bringen. zudem verwendete man damals verschiedene Lebensmittel und Kräuter, insbesondere Gewürze, denen besondere Heileigenschaften zugeschrieben wurden. Chirurgische Behandlungen waren damals hauptsächlich auf den Aderlass und die Blutegeltherapie beschränkt (So sollten übermäßige Körpersäfte abfließen und das Immunsystem wieder ins Gleichgewicht gebracht werden). Allerdings wurde die Unglücklichen, die an Orten wie Bedlam festsaßen, schlichtweg in Ketten gelegt. Unvorstellbar …
Psychiater und sogenannte Irrenärzte
Um 1800 wurde Ärzte, die sich auf psychische Erkrankungen spezialisierten, in der Regel “Irrenärzte”- Mir graust es schon, wenn ich das Wort nur schreibe … und später “Nervenärzte” genannt. Die Bezeichnung “Psychiater” sollte sich erst ein Jahrhundert später durchsetzen, als die Entwicklung in Paris, dem ehemaligen Forschungs- und Anwendungszentrum des Fachgebiets, die psychiatrische Theorie und Praxis nachhaltig änderten. Dreh- und Angelpunkt dieser Entwicklungen war das Krankenhaus La Salpetriere, wo Jean-Martin Charcot (1825-1893) als Professor für pathologische Anatomie arbeitete.
Dieser Eintrag wird noch fortgesetzt ….